Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”
Wenn es einen Modetrend am Aktienmarkt in den letzten Jahren gab, der sich immer mehr verstärkt hat, dann ist es der, einfach Indexfonds in Form von ETFs zu kaufen.
Es scheint auch so, als ob es aus der Mode gekommen sei, sich über Einzelaktien Gedanken zu machen oder in einen Fonds zu investieren, der dem ein Fondsmanager versucht, die besseren Aktien zu finden.
Ein Blick auf die Zu- und Abflüsse der Mittel in der europäischen Fondslandschaft im ersten Halbjahr zeigt dies deutlich. So flossen in ETFs, die in Aktien anlegen, 50 Milliarden Euro zu, während aus aktiv gemanagten Aktienfonds 32 Milliarden abflossen.
Hätte man keinerlei Kenntnisse über den Aktienmarkt, würde der gesunde Menschenverstand einem wohl sagen, dass es doch bessere Ergebnisse bringen muss, starke Unternehmen auszusuchen, anstatt breit in alle zu investieren. Die Statistik hat allerdings in den letzten Jahren etwas anderes gezeigt.
Die Mehrheit der aktiv gemanagten Portfolios lag schlechter als die passiven Ansätze. Das liegt bei aktiven Fonds zu einem Teil an den Gebühren, die zunächst einmal aufgeholt werden müssen, gegenüber den deutlich günstigeren passiven Indexfonds. Es zeigt sich aber auch, dass die Auswahl der richtigen Aktien gar nicht so einfach ist. Doch auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit. Viel hat damit zu tun, wie die Indizes zusammengesetzt werden.
Ein sich selbst verstärkender Trend
Ich hatte an dieser Stelle vor vielen Monaten schon einmal dargelegt, dass Aktienindizes wie der MSCI World oder S&P 500 ziemlich gute Handelssysteme sind. Studien zeigen nämlich, dass die Masse aller Aktien keinen Mehrwert für seine Besitzer erwirtschaften.
Offenbar sind die Kriterien, nach denen Aktien in die Indizes aufgenommen oder wieder herausgenommen werden, so gestaltet, dass Unternehmen in den Index kommen, wenn sie noch eine gute Phase vor sich haben. Das lässt sich durch die fundamentalen Kennzahlen der im Index enthaltenen Aktien auch gut belegen.
Aber der Kursanstieg der großen Indizes ist auch ein Trend, der sich durch die Mechanik der Indizes selbst verstärkt. So gibt es zu den prominenten genannten Indizes, die am häufigsten für passives Indexinvestment genutzt werden, noch die weniger bekannten so genannten Equal Weight-Ableger, die die gleichen Aktien alle gleich gewichten.
Diese laufen schon seit langem und ganz extrem in diesem Jahr den eigentlichen Indizes in der Performance hinterher. Das liegt vor allem daran, dass die großen Aktien wie die großen Technologiewerte innerhalb des S&P 500 oder auch des MSCI World ein immer höheres Gewicht haben.
Im S&P 500 machen sie mittlerweile 30 Prozent des Indexgewichtes aus. Im MSCI World ist aufgrund dessen die USA-Gewichtung mit 69 Prozent übermäßig hoch. Damit repräsentiert der Index schon längst nicht mehr in ausgewogener Form die Aktienmärkte der Welt.
Hier ergibt sich ein sich selbstverstärkender Effekt. Auf der einen Seite stürzen sich die Anleger auf die großen Technologieweite oder auch Unternehmen wie LVMH oder Novo Nordisk, die ohne Frage auch fundamental tolle Zahlen abliefern.
Auf der anderen Seite stürzen sich immer mehr Leute aber auch auf Index-ETFs, in denen diese Aktien hoch gewichtet sind. So steigt die Nachfrage nach diesen Aktien überproportional und ihr Gewicht in den Indizes erhöht sich weiter.
Das Klumpenrisiko wächst
Die unzähligen Ratgeber oder auch die „Finfluencer“, die nun seit Jahren predigen, in Index-ETFs anzulegen, weisen leider nicht auf die oben beschriebene Problematik hin, aus der sich mittlerweile ein erhebliches Klumpenrisiko innerhalb dieser Indizes ergibt.
Ja, diese großen Aktien sind wie ebenfalls schon erwähnt auch fundamental stark, aber das wird auch schon mit anspruchsvollen Preisen bezahlt. Billig ist etwas anderes.
Nvidia, in die wir seit langem investiert sind, wird massiv von der künstlichen Intelligenz profitieren. Da gibt es keine Frage. Die Marktstellung des Unternehmens ist herausragend. Aber mit dem Kurs-Gewinn-Verhältnis ist es mit mittlerweile über 200 genauso.
Da wird schon erhebliche Zukunft gehandelt wie auch bei Tesla. Damit steigt das Risiko einer deutlichen Underperformance der großen Indizes in der Zukunft. Kommen die Bewertungen nämlich irgendwann auf vernünftige Niveaus zurück – ein Prozess, der unausweichlich immer irgendwann kommt – dann werden diese hoch bewerteten Titel dementsprechend besonders leiden und damit auch die Indizes, in denen sie hoch gewichtet sind.
Dafür spricht im Übrigen auch, dass an der Börse nie das die beste Performance in der Zukunft bringt, was gerade aktuell am stärksten in Mode ist.