Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”
Die großen Technologiewerte in den USA steigen und steigen und steigen. Jüngst fragte mich jemand, ob die überhaupt fallen könnten, schließlich wäre ja durch die andauernden ETF-Käufe permanente Nachfrage zu diesen Aktien vorhanden. Das mag sicher stimmen, aber das allein würde die Kurse nicht gänzlich immun gegen Verluste machen. Schon 2022 waren ETFs beliebt, dennoch mussten diese Werte erhebliche Verluste einstecken. Hinter dem schier unaufhaltsamen Anstieg dieser Tech-Riesen steckt auch viel fundamentale Logik.
Das haben die jüngsten Quartalszahlen wieder einmal unter Beweis gestellt. Es waren gute Zahlen, die überwiegend die Analystenerwartungen geschlagen haben. Bei Nvidia allerdings weiß man es noch nicht, sie veröffentlichen erst am 21. Februar, wie das vierte Quartal 2023 gelaufen ist. Da der Chipdesigner wegen der hohen Nachfrage nach KI-Anwendungen aber kaum mit der Produktion hinterherkommt, sollten positive Überraschungen auch hier nicht verwundern. Allerdings schert mit Tesla mittlerweile einer aus der Reihe und die Aktie muss seit Jahresanfang erhebliche Verluste hinnehmen, während die anderen wieder einmal die Aktienindizes nach oben ziehen.
Im Film überlebten nur Vier
Der Begriff „Magnificent 7“ ist angelehnt an den legendären Western, den man in Deutschland unter dem Namen „Die glorreichen Sieben“ kennt. Was wahrscheinlich viele gar nicht wissen, die diesen alten Film nicht kennen. Im Film überleben nur vier der Helden. In Bezug auf unsere „Magnificent 7“ bin ich da zwar optimistischer, überleben sollten wohl tatsächlich alle, aber der Höhenflug wird sicherlich nicht für alle und auch nicht für immer anhalten. Für den Elektroauto-Pionier Tesla ist er zunächst einmal zu Ende. Und das ist auch kein Zufall, denn Tesla unterscheidet sich von Unternehmen wie Microsoft, Alphabet, Amazon und Meta doch gewaltig.
Keine Frage, Tesla wächst schneller als alle etablierten Autohersteller und hat in der Produktionstechnik neue Maßstäbe gesetzt, während die Ingenieure der großen deutschen Autohersteller über deren Spaltmaße lachten. Inzwischen lacht niemand mehr. Dennoch sieht sich Tesla-Chef Elon Musk seit Monaten gezwungen, einen Preiskampf zu führen, um Marktanteile gegen die chinesische Konkurrenz zu verteidigen. Weltweit tobt eine Rabattschlacht um die Gunst der Käufer von Elektroautos. Das Wort “Rabatt” wird bei Microsoft hingegen wohl kaum in den Geschäftsgesprächen auftauchen. Warum sollte Microsoft einen Preiskampf anzetteln, und gegen wen eigentlich? Es gibt ja keinen Gegner. Gut, zu Windows habe ich mit einem Computer oder Laptop von Apple gerade noch eine Alternative, aber bei den Büroanwendungen von Outlook inklusive Teams ist Microsoft nahezu alternativlos.
Während Tesla weltweit gerade einmal 3,5 Prozent aller Autos verkauft, hat Microsoft quasi ein Monopol erschaffen und die Hoheit in unseren Büros. Microsoft könnte die Preise beliebig erhöhen, wir Büroarbeiter hätten keine Möglichkeit zu kündigen, wenn wir nicht aufhören wollten zu arbeiten. Der nächste im Bunde, Amazon, hat sich von einem Internetversender zu einem zentralen Marktplatz für Käufer und Verkäufer entwickelt. Was das Unternehmen antreibt, ist die Logik, dass sowohl Verkäufer als auch Käufer davon profitieren, wenn sich alle auf einer Plattform treffen – das größte Angebot trifft auf die größte Nachfrage. Parallel zum immer größeren Versandgeschäft entstanden riesige Serverkapazitäten und wurden Daten gesammelt, die heute den Kern der Cloud-Sparte darstellen, der Goldesel des Unternehmens.
Wenn Social Media nicht irgendwann out ist, dann wird der Facebook-Konzern Meta in den nächsten Jahrzehnten wohl das Zentrum der Aktivitäten von Milliarden von Menschen bleiben. TikTok ist zwar bei Jugendlichen und jungen Menschen sehr beliebt und wird dem Meta-Chef Mark Zuckerberg auch einiges Kopfzerbrechen bereiten, aber die Marktstellung von Meta mit Instagram ist doch so dominant, dass man sich kaum vorstellen kann, dass ihnen jemand in den nächsten Jahrzehnten das Wasser reichen kann. Ähnlich sieht es mit der Suchmaschine von Alphabet, Google und mit der Videoplattform YouTube aus. Auch sie sind zwar keine absoluten Monopole, aber in ihrem Bereich extrem dominant. Man denke nur an Google Maps, das mehr oder weniger jeder nutzt, auch wieder zum Nutzen aller, weil sich dadurch bei Google so viele Daten ansammeln, dass auch der kleinste Stau vorhergesagt und umfahren werden kann.
Apple hat kein Monopol. Das Unternehmen ist ein Hersteller von Smartphones und Tablets, wie es mit Samsung und Huawei weitere große gibt. Aber auch hier sind die Netzwerkeffekte enorm. Wer einmal in der iCloud alle seine Apple Geräte vernetzt und alle seine Fotos dort hat, kann den lange Zeit wertvollsten Konzern der Welt nur schwer wieder verlassen. Und die Marke ist die wertvollste der Welt, was erheblich höhere Preise erlaubt und zu deutlich größeren Gewinnmargen führt als bei anderen Smartphone-Herstellern.
Der letzte in der Runde, und noch nicht so lange unter den Superstars, ist der Chip-Designer Nvidia. Über Jahre dürfte hier die Nachfrage hoch bleiben, wie es aussieht. Die Vergangenheit dieser Branche hat aber auch gezeigt, dass dominante Player wie Intel plötzlich ins Hintertreffen geraten können. Hier tobt ein Hochtechnologiekampf, in dem Konkurrenten wie Arm oder AMD, Nvidia plötzlich ein Schnippchen schlagen könnten. Derzeit sieht es aber zunächst danach aus, dass das Unternehmen im Bereich von KI-Anwendungen unangefochten an der Spitze steht.
Gutes ist mittlerweile teuer
Weil die beschriebenen Unternehmen abgesehen von Tesla so unangreifbar scheinen und man sich kaum vorstellen kann, dass sie in den nächsten Jahren selbst in Rezessionen keine Milliardengewinne abliefern, sind die Kurse auch schon stark gestiegen. Das muss man bei aller Qualität dieser Unternehmen im Hinterkopf haben. Kleinste Enttäuschungen können dann schon zu deutlichen Verlusten führen, wenn die Bewertung anspruchsvoll ist. Das aktuell größte Risiko dürfte wohl eine Invasion oder eine Blockade Taiwans durch China sein. Die großen Chiphersteller fertigen ja nicht selbst, sondern lassen im Wesentlichen von Taiwan Semiconductor (TSMC) produzieren.
Würden die Lieferungen plötzlich ausbleiben, hätte Nvidia tolle Chips designt, die dann aber erst mal niemanden mehr bauen würde. Das käme einer Katastrophe gleich und auch die anderen Technologieunternehmen würden extrem hart getroffen, sollten Sie plötzlich keine Chips mehr geliefert bekommen. Denn ohne die gäbe es kein Wachstum, und bis die Chipfabriken in den USA und in Europa in großen Stückzahlen produzieren, die gerade gebaut werden oder in Planung sind, werden noch Jahre vergehen. Hoffen wir also, dass China seiner Tradition treu bleibt und zumindest außenpolitisch mit friedlichen Mitteln seine Ziele zu erreichen versucht.