Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”
Das ist typisch: Kaum haben sich die Kurse (stärker als erwartet) nach oben bewegt, werden zaghafte Privatanleger ungeduldig. War’s das vielleicht schon, haben wir also was verpasst? Neee, glaube ich nicht. Es wird in den nächsten Monaten des jungen Jahres gewiss noch interessante Einstiegsmöglichkeiten geben – über oder unter der 15.000er Dax-Marke.
Wer das akzeptiert, beschäftigt sich gleich mit den Objekten der Begierde: Was soll ich dann kaufen? Der selbstentscheidende „Kümmerer“ von heute fandet nicht nach heißen Tipps, sondern sucht attraktive Aktien für ein möglichst vielversprechendes Depot. Ich bekräftige bei dieser Gelegenheit meinen im vergangenen Jahr propagierten Vorschlag einer Dreiteilung des verfügbaren Kapitals nach Anlageräumen: USA, China, Europa. Das entspricht auch der jeweiligen Wirtschaftsmacht.
Trotz aller Wenn und Aber – Wall Street steht weiter im Vordergrund und bleibt (ungeachtet des Expertenstreits über Value vs. Growth) die Leitbörse der Welt. Informationsmangel aus USA gibt es gewiss nicht, eher werden auch die Europäer mit Informationen und Prognosen von der anderen Seite des großen Teichs überflutet.
Europas Börsen haben wechselhafte und per Saldo uneinheitliche Zeiten hinter sich. Die Performance bei uns hängt nicht zuletzt von den internationalen Kapitalströmen ab. Deshalb sollten auch unsere Aktienfans stets die Euro/Dollar-Entwicklung im Auge behalten. Im Gegensatz zu vielen Kritikern bin ich nicht prinzipiell gegen eine Übergewichtung heimischer Aktien („Home Bias“), die man ja besonders gut kennt und beobachten kann. Momentan würde ich Europa aber im Zuge der vorgeschlagenen Dreiteilung eher untergewichten, weil wir den Ukraine-Krieg und seine Risiken nicht unterschätzten dürfen: Eine weitere Eskalation könnte für Wirtschaft und Börsen bei uns viel schlimmere Folgen haben als in den USA – wir sind dicht dran!
Und China? Die Regierung hat sich von ihrer strikten Null-Covid-Politik verabschiedet. Das könnte in Kombination mit einer Stabilisierung des Immobilienmarktes die Konjunktur im Land ankurbeln. Für Anleger eröffnen sich dadurch interessante Investmentgelegenheiten im Reich der Mitte, so die Überzeugung nicht nur von Marcel Huber, Portfoliomanager der Frankfurter BlackPoint Asset Management. Der chinesische Finanzmarkt selbst bietet Investoren vielfältige Chancen.
Dazu Huber: „Unsere Chinastrategie konzentriert sich auf zwei Arten von Unternehmen: einerseits solche, die langfristige internationale Trends bedienen und dabei eine dominante Rolle einnehmen. Im Fokus stehen beispielsweise Unternehmen, deren Produkte für die Energiewende unverzichtbar sind – etwa Hersteller wichtiger Grundstoffe für den Ausbau erneuerbarer Energien. Andererseits favorisieren wir Unternehmen, die einen hohen Anteil ihrer Umsätze im Binnenmarkt erzielen und zudem einen entscheidenden Stellenwert im wirtschaftlichen Ökosystem Chinas innehaben. Dazu gehören beispielsweise Plattformanbieter für digitale Dienstleistungen, Handel oder Mobilität.“
Was könnte man diesem Depot rund um den Globus beimischen, wenn man genügend Fantasie und Zeit mitbringt? Nicht nur Superreiche entdecken den Weltraum für sich – auch bei Investoren wächst das Interesse. Analysten der Deutschen Bank sehen in der Erdbeobachtung ein spannendes Segment, das langfristig wachsen dürfte. Unter Erdbeobachtung versteht man Beschaffung von Informationen zur Erdoberfläche mit Hilfe von Satelliten und Drohnen. Sie trägt unter anderem zur Wettervorhersage, Klimaforschung, Naturkatastrophenprävention, aber auch zur militärischen Aufklärung bei. Den Experten zufolge könnte der Markt für Produkte und Dienste im Bereich Erdbeobachtung von heute 6 Milliarden auf 10 Milliarden Dollar bis 2025 wachsen.