Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”
Ach ja, wann passiert endlich was in Frankfurt? Die Agentur dpa titelt „EZB lässt Zinsen unverändert – Ende der Anleihenkäufe in Sicht“. Also Im Grunde nichts Neues. Aber die monetäre Wende kommt näher. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) belässt den Leitzins noch auf dem Rekordtief von null Prozent. Die Währungshüter bekräftigen jedoch, auf ein Ende ihrer ultralockeren Geldpolitik zuzusteuern. Für manche Experten kommt das zu spät. Mit dem ersten Zinsschritt nach oben ist noch für den Jahresverlauf zu rechnen. Ist das wirklich zu spät? Hätte die EZB nicht ohne längeres Warten den „Vorbildern“ USA und Großbritannien folgen müssen?
Ich will mich an dieser Stelle nicht am akademischen Streit um den „richtigen“ monetären Kurs in der Zwickmühle zwischen Geldwertstabilisierung und Konjunkturunterstützung beteiligen. Setzt man nämlich die Brille der Börsianer auf, so scheint Gelassenheit angesagt. Jedenfalls haben die Aktienkurse trotz eines schlechten ersten Quartals 2022 bisher alle – durchaus schweren – Belastungen seit Ausbruch der Pandemie erstaunlich gut verkraftet.
Und jetzt? Vergessen wir keine Sekunde: Wir haben Krieg in Europa (!!!), dessen Verlauf und nicht absehbares Ende von weitaus größerer Bedeutung sind als der Zinsfahrplan unserer Zentralbank. Die Ausstrahlungen der brutalen russischen Aggression können durch geldpolitische Maßnahmen nicht eingedämmt werden. Und wenn es doch in naher Zukunft eine diplomatische Lösung geben sollte, wären die positiven Folgen nicht nur für die betroffenen Menschen in der Ukraine ein wahrer Segen. Wir alle könnten aufatmen, weil Frieden volkswirtschaftlich gesehen gleichzusetzen wäre mit einer Wiederbelebung des Wirtschaftswachstums und einer tendenziellen Normalisierung der Preise. Darauf wartet (voller Hoffnung) auch die Börse.