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Kutzers Zwischenruf: Auch die Börse braucht „Ein bisschen Frieden“

Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”

Wie passt die Kursentwicklung an den Börsen mit dem Krieg in Europa zusammen? Thematisch überhaupt nicht. Das wäre absurd, werden Sie wahrscheinlich antworten. Und doch gibt es eine enge Verbindung als weiteres Beispiel für die Folgen von Digitalisierung, Globalisierung und grenzüberschreitender Vernetzung aller Ebenen unserer Gesellschaft. Das entsetzliche Leid der ukrainischen Bevölkerung lässt uns nicht mehr los, sorgt für weltweites Mit-Leid. Mit jedem Tag der russischen Attacken spüren wir aber auch, welche (insbesondere materiellen) Folgen der Krieg für andere Volkswirtschaften und deren Bevölkerung haben kann, insbesondere für die Wirtschaft, den Handel und die Energieversorgung. Schließlich werden auch Ausstrahlungen auf politische Trends und militärische Strategien in unbeteiligten Ländern erkennbar.

Ob man es mag oder nicht – Kapitalanleger können einen Krieg aus ihren strategischen und taktischen Überlegungen nicht verdrängen. Und je heftiger der Konflikt wird, umso länger drohen die Folgen auch für uns zu werden. Das heißt nicht, man könnte sich auf kurzfristige Spekulationen konzentrieren. Denn zu den aktuellen Besonderheiten gehört das (ganz ungewöhnliche) Zusammentreffen und Zusammenwirken von Mega-Trends: Während die Welt zusammenzurücken versucht, um die existenziellen Probleme des Hungers und des Klimawandels zu lösen, stellt eine Viruspandemie uns alle vor neue, beispiellose Herausforderungen. Dazu kommen wirtschaftliche Wachstumsprobleme, ein folgenschwerer, dramatischer (und unerwarteter) Anstieg der Inflationsraten und eine Umkehr der Geldpolitik durch die Notenbanken. Die Staatsverschuldung wuchert zu unbekannten Größen.

Der Krieg steckt noch in einer frühen Phase. Selbst der Einsatz chemischer Waffen und/oder eine nukleare Eskalation durch Russland wird nicht mehr ausgeschlossen. Die Zeit extremer allgemeiner Unsicherheit und turbulenter Börsenbewegungen kann noch lange anhalten.

Deshalb: Wir alle – auch die Börsen – brauchen „Ein bisschen Frieden“. Die Jüngeren unter Ihnen sei an diesen deutschen Beitrag zum Eurovision Song Contest 1982 erinnert, der von der damals 17-jährigen Sängerin Nicole präsentiert wurde – und die damit den Contest gewann! Ich bin nicht überzeugt, halte es als unverbesserlicher Optimist aber durchaus für möglich, dass

· der Krieg auf diplomatischem Weg beendet werden kann,

· die Pandemie auch dank der Forschung überwunden wird,

· die Inflation mittel- bis längerfristig wieder sinkt,

· Welthandel- und Weltwirtschaft beschleunigt wachsen,

· und die Aktie als Beteiligung am Produktivkapital der Wirtschaft ihre herausragende Bedeutung auch für Privatanleger behalten wird.