Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine belastet die Börsen. Kaum sind die Diskussionen um Zinserhöhungen in den Hintergrund getreten, gibt es hier die nächste große Unsicherheit. Und fraglos sieht die Lage auf den ersten Blick ziemlich bedrohlich aus. Denn in letzter Konsequenz stehen sich die beiden Atommächte Russland und die USA in diesem Konflikt gegenüber. Man ist ein wenig an die Kuba-Krise erinnert. Wie kann es an den Aktienmärkten nun weitergehen? Ich sehe drei Szenarien.
Szenario 1 – die Russen marschieren ein
In so einem Fall würde, wenn es klar absehbar ist, der Markt wahrscheinlich bis zum Einmarsch unter der Schwäche leiden, aber mit den ersten Panzern, die über die Grenze rollen, nach oben drehen. Käme es doch noch überraschend, gäbe es wohl noch mal einen Kursrutsch, dann aber würde das gleiche gelten. Hier gilt der Satz: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“. Dies war im Golfkrieg richtig, wie auch im Irak-Krieg und wie sogar im Zweiten Weltkrieg. Es ist das Phänomen des „Fait Accompli“, der vollendeten Tatsache, auf die zu spekulieren nicht mehr möglich ist. Der Markt kann dann nur auf Frieden spekulieren, und das tat er sogar nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Erst als klar wurde, wie verheerend dieser würde und Frieden in weite Ferne rückte, brachen die Börsen von London und Paris zusammen. Im Golf- und Irak-Krieg zeichnete sich dagegen ein schnelles Ende ab und die Kurse holten ihre Kursverluste sehr schnell wieder auf. Womit wäre ein Russland-Ukraine-Krieg wohl vergleichbar? Auch wenn die USA und Russland an dem einen und dem anderen Ende sitzen, haben die USA klar signalisiert, dass sie nicht mit eigenen Soldaten eingreifen werden. Sanktionen wird es geben, ohne Frage, aber ziemlich sicher keinen direkten Krieg zwischen den beiden Atommächten. Am Ende wird es wahrscheinlich laufen wie mit der Krim. Zähneknirschend wird der Westen eine Annektion von Teilen oder der gesamten Ukraine hinnehmen, weil der Preis einer unbedingten Verteidigung des Landes zu hoch wäre. Damit wäre es eher ein für die Börsen gutes Szenario, denn auf diese Art des Ausgangs würden die Märkte wohl spekulieren.
Szenario 2- die Russen ziehen ab
Hier ist eine Kursprognose relativ einfach. Sollten die Russen nur ihre Muskeln haben spielen lassen und von der Ukraine-Grenze wieder abziehen, dürfte sich eine massive Erholung der Aktien anschließen, so stark wie sie überverkauft sind und so schlecht wie die Stimmung ist. Das hatte sich schon gezeigt, als die Russen einen Teilabzug verkündet hatten. Nur die Amerikaner konnten und wollten dies nicht bestätigen, was die Kurse wieder unter Druck brachte. Es wäre fraglos das wünschenswerteste Szenario.
Szenario 3 – der Konflikt schwelt weiter
Diese Konstellation wäre sicherlich die für die Börse ungünstigste, denn sie hasst Unsicherheit. Allerdings gewöhnen sich Aktienmärkte auch an solche Zustände. Erinnert sei an die Zeit der Terror- Anschläge ab dem 11. September 2001. Mit jedem weiteren wie dem von London und Madrid verloren sie ihren Schrecken. Käme dann doch plötzlich der Einmarsch der Russen in die Ukraine, gäbe es mit der Überraschung sicherlich noch Mal einen kräftigen Kursrutsch, dann würde aber auch in diesem Szenario das Phänomen des Fait Accompli greifen.
Fazit: Aktien verkaufen erscheint nicht sinnvoll, Gold zu haben auf jeden Fall.
Vor dem Hintergrund dessen, wie überverkauft die Aktienmärkte sind, erscheint ein Verkauf dieser wegen des Russland-Ukraine-Konflikts nicht sinnvoll. Wenn es doch zu einer Eskalation und direktem Krieg zwischen den Atommächten käme, wäre dies eine andere Frage. Was aber ganz erfreulich ist für Gold-Fans, zu denen ich ja durchaus auch gehöre, das Edelmetall legte zuletzt kräftig zu und wird aktuell seinem Krisenschutz-Status gerecht. Damit ist Gold ein ganz guter Hedge gegen Aktien-Verluste.