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Korrektur im Aufwärtstrend oder Bärenmarkt? – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

„Höher für länger“, diese Worte des US-Notenbankchefs Jerome Powell haben den Börsianern zuletzt ziemlich die Laune verdorben. Mit den sinkenden Kursen lies erwartungsgemäß auch die Stimmung nach, ablesbar an der Mehrzahl der Stimmungsindikatoren.

Ob die Aktien auf diesem Stimmungsniveau bereits wieder steigen oder noch weiter in die Knie gehen, hängt davon ab, ob wir uns nur innerhalb einer Korrektur in einer Aufwärtsbewegung befinden, oder ob der Markt sich in einer Baisse befindet.
In einer Korrektur müssen die Stimmungsindikatoren nicht extremen Pessimismus anzeigen, damit der Markt dreht. Eine leicht schlechtere Stimmung signalisiert dann bereits, dass die Konsolidierung abgeschlossen ist und die Kurse ihre Aufwärtsbewegung fortsetzen können. In einer echten Baisse, wie wir sie zum Beispiel 2022 erlebt haben, müssen die Stimmungsindikatoren hingegen extremen Pessimismus anzeigen, damit der Markt dreht.

Geldpolitik entscheidend
Um zu prognostizieren, ob wir uns in einer Baisse befinden oder nur in einer Korrektur im Aufwärtstrend, hilft ein Blick auf die Geldpolitik und die Zinssituation.

Dabei ist viel weniger entscheidend, ob der Zinsgipfel erreicht ist und wann wieder gesenkt wird. Viel entscheidender ist die Frage der Zinspolitik der jüngeren Vergangenheit. Denn diese wirkt sich mit Zeitverzögerung auf die Aktienkurse aus.

Das, was aktuell und vermeintlich in der Zukunft passiert, hat nur psychologischen Einfluss. Auch der kann zuweilen die Kurse ordentlich bewegen, wie das Jahr 2022 gezeigt hat, aber entscheidender ist die Frage der tatsächlichen Einschränkung oder Ausweitung der Liquidität, die über die Geldpolitik bereits gesteuert wurde.

Schaut man demgemäß auf die aktuelle Situation, spricht viel dafür, dass die Stimmung erst noch viel schlechter werden muss, bevor die Kurse nach oben drehen und neue Rekordstände erreichen. Die Geldmengen in Europa und auch im USA schrumpfen nun schon seit Monaten und die Notenbankbilanzen ebenfalls. Dies ist ein Umfeld, in dem Aktien in der Vergangenheit fast immer irgendwann gelitten haben.

Rezession oder nicht?
Ebenfalls entscheidend für den weiteren Verlauf der Aktienkurse nach einem Zinserhöhungszyklus ist die Frage, ob wir nun eine Rezession bekommen oder doch ein „Soft Landing“ gelingt.

Denn die Historie zeigt für die USA ganz klar: Kommt es zu einer Rezession, geben die Aktienkurse auch dann noch weiter nach, wenn die Notenbank bereits angefangen hat, die Zinsen zu senken. Kann die Rezession aber vermieden werden, leitet die Zinswende in der Regel auch die Börsenwende ein.

Leider bleibe ich bei meiner Einschätzung, dass auch in den USA eine Rezession unvermeidbar ist. Die Corona-Hilfen sind bald annähernd verbraucht. Die Stundung der Studenten-Kredite wurde von einem Gericht gekippt, sie müssen jetzt wieder bedient werden. Das bedeutet weniger Konsum.
Uns steht zudem mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Shutdown der Behörden bevor, und auch der größte Streik der Belegschaft der großen Autohersteller seit Jahrzehnten kostet Wirtschaftswachstum. Zudem dürfte die bremsende Wirkung der Zinserhöhung weiter unterschätzt werden, weil diese auch in der Realwirtschaft erst mit ordentlicher Zeitverzögerung wirksam wird.

Auf tiefere Kurse zu warten, ist daher vielleicht aktuell nicht die schlechteste aller Strategien.