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Inflationsziel – Wird die “Vier” die neue “Zwei”? – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Die Rezessionsangst geht an den Märkten um. Der Boom mit Personalmangel ist so schnell in einen Abschwung umgeschlagen wie selten zuvor. Und obwohl wir noch immer Vollbeschäftigung haben und an vielen Stellen Personal fehlt, deuten viele Frühindikatoren auch in den USA auf eine Rezession hin. Schaut man beispielsweise auf den Einkaufsmanagerindex aus Philadelphia, Philly Fed genannt, deutet alles auf eine baldige Rezession hin, denn dieser liegt bereits unter 50 und damit im Bereich der Kontraktion. Und für gewöhnlich funktioniert der Philly Fed sehr gut als vorlaufender Indikator für den nationalen Einkaufsmanagerindex. In China belastet zudem der schwache Immobilienmarkt die Wirtschaft und in Europa die Energiekrise, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg. Würde Russland tatsächlich das Gas abdrehen und müsste beispielsweise BASF die Produktion einstellen, würden wir wohl die schwerste Rezession seit dem 2. Weltkrieg erleiden.

Rezession könnte geldpolitisches Umsteuern bedeuten

Was wir derzeit an der Beschäftigungsfront erleben, hat auch niemand erwartet. Viele haben sich in der Krise umorientiert, und obwohl die Corona-Hilfszahlungen auch in den USA längst ausgelaufen sind, geben immer noch rund zehn Millionen Amerikaner an, nach wie vor von den erfolgten Zahlungen zu leben und deshalb noch keine Beschäftigung wieder aufgenommen zu haben. Doch irgendwann wird das Geld aufgebraucht sein und werden auch diese potenziellen Arbeitskräfte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Gepaart mit rezessionsbedingt rückläufiger Nachfrage sollte es dann eine gewisse Entspannung bei den Löhnen geben. Die Rohstoffpreise für Stahl, Eisen, Kupfer, Bauholz und anderen Industrierohstoffen sinken bereits seit einigen Wochen und zuletzt kamen auch die Energiepreise deutlich zurück. Auch das würde in den kommenden Monaten eine merkliche Entspannung an der Inflationsfront bedeuten. Die Notenbanken bekämen dann Spielraum für eine Lockerung ihres restriktiven Kurses und dürften dann so schnell umsteuern, wie sie dies am Jahresanfang taten, als sie feststellten, dass die Inflation nicht vorübergehend ist, sondern weiter steigt.

Inflationsziel könnte angepasst werden

Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass sich die Inflationsraten im Verlauf des Jahres zurückbilden. Dass sie allerdings auf das von den Notenbanken rund um den Globus angestrebte Inflationsziel von zwei Prozent zurückgehen, damit rechne ich nicht. Dafür gibt es zu viele Inflationstreiber. Da ist die Dekarbonisierung der Welt, die die Preise für gewisse Rohstoffe treiben wird. Die in Zukunft weltweit rückläufige Anzahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter wird Löhne zukünftig schneller steigen lassen und die angestrebte Deglobalisierung wird die Produktionskosten für alles erhöhen, was wir zukünftig nicht mehr in Billiglohnländern produzieren lassen, weil wir unabhängig von diesen sein wollen. Können die Zentralbanken in so einem Szenario, in der die Inflationsraten über dem angestrebten Ziel liegen, denn überhaupt beherzt auf Rezessionsbekämpfung umschalten? Formal betrachtet nicht, aber sie könnten das Inflationsziel erhöhen. Das ist nicht unwahrscheinlich. Vor über zehn Jahren schlug der Wirtschaftsprofessor Oliver Blanchard, damals Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds IWF, dies bereits vor. Der Realzins wäre dann weiterhin satt negativ und würde bei der Entschuldung von Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten helfen.

Aktien würden von geldpolitischer Lockerung mehr profitieren als unter einer Rezession leiden

Die Zeche würden alle Anleger in Festzinsanlagen bezahlen, Aktien blieben wie seit Jahren schon die einzige liquide und rentierliche Geldanlage mit der Chance auf positive Realrenditen. Doch was passiert mit den Kursen, wenn es tatsächlich bald zur Rezession kommt? Die ohnehin noch zu optimistischen Gewinnschätzungen müssten sicher zurückgenommen werden und ein weiterer Einbruch wäre wahrscheinlich. Danach würden sich die Aussichten wegen der wieder lockeren Geldpolitik Richtung 2023 allerdings deutlich verbessern. Denn mittelfristig ist die Liquiditätssituation viel wichtiger für die Kursentwicklung als die Fundamentaldaten.