Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”
Kutzers Zwischenruf:
Plus 4,5 Prozent – Inflation wirklich nur vorübergehend?
Keiner weiß es, aber alle spekulieren: Bleibt der (stärker als erwartete) Anstieg der Inflation in Deutschland eine vorübergehende Erscheinung? Das ist angeblich die Erwartung der meisten Experten. Oder wird die Teuerung zu einem längerfristigen Problem für alle Betroffenen und Beteiligten? Meine Gelassenheit beginnt zu schwinden. Die Kombination schlechter Nachrichten weckt Zweifel, dass das Winterhalbjahr unabhängig von den Außentempertaturen für Wirtschaft und Verbraucher nicht frostig wird. Inzwischen kann ich die anhaltend solide Verfassung des Aktienmarkts auch nur eingeschränkt nachvollziehen.
Das dramatisch beschleunigte Wiederaufleben der Pandemie (siehe heutige Infektionszahlen) ist Grund genug für Sorgen. Zugleich melden unsere Unternehmen noch uneinheitliche Tendenzen, die aber zunehmend vorsichtig werden. Die aktuelle Geschäftslage wird zwar größtenteils positiv bewertet. Die Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate hingegen sind gedämpft und fallen pessimistischer aus, als viele angesichts der Hoffnung auf ein sich abzeichnendes Ende der Corona-Krise erwartet hatten. Statt eines steilen Aufschwungs gerät die wirtschaftliche Erholung ins Stocken, heißt es in der neuen DIHK-Konjunkturumfrage unter bundesweit knapp 28.000 Unternehmen
Dazu die Besorgnis erregende Preisentwicklung: Die Importpreise waren im September um 17,7 % höher als vor einem Jahr. Eine höhere Vorjahresveränderung hatte es zuletzt im August 1981 im Rahmen der zweiten Ölpreiskrise gegeben. Parallel zur EZB-Sitzung (keine Beschlüsse) kam heute die Bekanntgabe der vorläufigen Verbraucherpreise für Oktober. Analysten rechneten mit einer Jahresinflationsrate von 4,4 Prozent. Angeheizt von steigenden Energiepreisen hatte die Teuerungsrate im September mit 4,1 Prozent erstmals seit fast 28 Jahren wieder die Marke von 4 Prozent überschritten. Jetzt ist ein Plus von 4,5 Prozent herausgekommen. Ich finde, es ist mutig zu behaupten, es zeichne sich keine gefährliche Lohn-Preis-Spirale ab.
Den einzig wirklich positiven Trend sehe ich im Aktienmarkt selbst: Hierzulande wird die Aktienanlage immer beliebter, freut sich das Deutsche Aktieninstitut. Zu Recht, denn wer breit gestreut und langfristig in Aktien investierte, konnte sich in der Vergangenheit jährlich über durchschnittlich 6 bis 9 Prozent Rendite freuen. So haben 2020 im Vergleich zum Vorjahr 2,7 Millionen mehr Menschen in Aktien, Aktienfonds oder aktienbasierte ETFs investiert. Damit legt jetzt im Schnitt jeder Sechste Geld in Aktien an. Darüber hinaus bekundeten in einer aktuellen Umfrage 14 Prozent der Befragten ihre Absicht, Aktien zu kaufen. Damit lag das Anlageinteresse bei Aktien deutlich über Sparbuch, Immobilien und Kryptowährungen. Gut so!