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Kutzers Zwischenruf: Mit Aktien gibt’s keine Sommerflaute

Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”

Kutzers Zwischenruf: Mit Aktien gibt´s keine Sommerflaute

 

Die Headline mag in manchen Ohren provozierend klingen (etwa: „Na klar, auch an der Börse kann es eine Flaute geben“). Positiv gesehen soll die Verneinung aber tatsächlich provozieren: Mit Aktien im Depot kann es keine totale Windstille geben – irgendwo tut sich immer was, gibt es Bewegungen auf- oder abwärts. Und selbst eine schlappe Tendenz seitwärts muss den Anleger beschäftigen. In der Seemannssprache verheißt Flaute nichts Gutes, weil man dann das Segeln einstellen muss. Aber auch im kaufmännischen Sinn – es herrscht keine Nachfrage nach bestimmten Waren – bilden Aktien eine Ausnahme. Denn (strenggenommen) gibt es Kaufinteresse selbst an extrem müden Börsentagen mit schwachen Umsätzen. Sie werden vielleicht fragen, geschätzte Anleger, was sie damit aktuell anfangen können. Ich sehe keine Flaute im engeren Sinn und appelliere deshalb, nicht voll abzuschalten. Neben dem Kaufen, Verkaufen und Tauschen gibt es natürlich auch das (befristete) Nichtstun. Nur ist auch das passive Zuschauen eine aktive taktische Entscheidung. Also vergessen Sie am besten die Flaute, wenn Sie in Marktanalysen angekündigt wird.

Das gilt auch für eine saisonale Betrachtung: Nein, von einer Sommerflaute kann mit Blick auf die jüngste Wirtschafts- und Kapitalmarktentwicklungen keine Rede sein. Das zeigen uns die in der vergangenen Woche veröffentlichten volkswirtschaftlichen Daten, die Mehrheit der Unternehmens-Zwischenberichte und die führenden Aktienindizes ganz in der Nähe historischer Höchststände. Dabei ist es ganz normal, wenn Analysten auch die vielzitierten Haare in der Suppe suchen. Beispiel: Fundamental betrachtet haben sich die weltweiten Wirtschaftsdaten erneut verbessert, allerdings hat sich nach der starken Erholung das konjunkturelle Momentum jüngst abgeschwächt. Das Stimmungshoch in der US-Wirtschaft scheint bereits durchschritten zu sein.
Europa und Deutschland werden alles in allem immer günstiger beurteilt. Unsere Industrie hat im Juni wegen der starken Binnennachfrage das größte Auftragsplus seit zehn Monaten erzielt und damit den im Mai erlittenen Einbruch mehr als wettgemacht. Dabei ist der Auftragseingang im deutschen Maschinenbau im Juni im Zuge der Erholung vom pandemiebedingten Einbruch im Vorjahr kräftig gestiegen. Nach Mitteilung des Branchenverbands VDMA lag er um 53 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats! Ausrüstung, Maschinen und Services stehen weltweit oben auf der Agenda. Für das erste Halbjahr 2021 meldete der Verband einen Auftragszuwachs von 29 Prozent.

Nimmt man dazu die wiederholten Anläufe der großen Aktienindizes auf neue Allzeithochs, so zeigt sich, dass immer noch ausreichend Risikobereitschaft (= Aktienkäufe) vorhanden ist. Vor allem treibt derzeit die überbordende Liquidität fast alle Märkte.
Mir gefällt der jüngste Ausblick von Degroof Petercam Asset Management: Alles in allem sprechen mittelfristig die meisten Faktoren für Aktien. Jeder Rücksetzer sollte als Kaufgelegenheit betrachtet werden. Aufgrund des Aufholpotenzials und der höheren Sensibilität gegenüber dem globalen industriellen Wachstum ziehen wir Europa nach wie vor den USA vor.