Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”
Kutzers Zwischenruf:
Jetzt Bilanz ziehen und Strategie überprüfen
Soll ich jetzt noch kaufen, lieber nur halten oder vorsichtshalber verkaufen? Eine Frage, die sich viele Anleger gerade in diesen Tagen stellen. Man studiert die neuesten Prognosen fürs kommende Jahr, sammelt konkrete Empfehlungen von Analysten und Fondsmanagern. Der Jahreswechsel ist eine Zäsur – zumindest im Kalender. Erfahrene Aktienfans werden vielleicht feststellen, dass diesmal das Besondere des Termins fehlt, dass weder euphorische Stimmung die Börse antreibt noch Angst vor einer erneuten Baisse den Handel lähmt. So wie es momentan aussieht (Überraschungen nie auszuschließen), könnte es also einen eher unspektakulären Übergang von 2021 nach 2022 geben.
Das würde auch zu den aktuellen Prognosen deutscher und internationaler Strategen passen. Die haben sich im Laufe der vergangenen Wochen meinungsmäßig angenähert: Inzwischen überwiegen eindeutig die bullischen Aussagen zur voraussichtlichen Entwicklung der Aktienmärkte 2022. Dabei gibt es bislang nur wenige Profis, die von einer wirklich kraftvollen Aufwärtsbewegung im Jahresverlauf ausgehen. Wo konkrete Dax-Ziele genannt werden, liegen sie meist zwischen 16.000 und 18.000 Punkten. Dazu spielt die Dynamik der wirtschaftlichen Erholung von der Pandemie samt einer Normalisierung der Produktionsbedingungen und Lieferketten eine wesentliche Rolle – nicht zuletzt auch die Preisentwicklung.
Die Party am Aktienmarkt wird weitergehen
Typische Einschätzung für Verhalten zuversichtliche Vermögensverwalter: 2022 wird voraussichtlich ein ordentliches, wenn auch kein außerordentliches Aktienjahr. Kein Widerspruch, aber ich will nicht ausschließen, dass wir doch einen am Ende erstaunlich guten Jahrgang erleben werden. Die Party an den Aktienmärkten kann also weitergehen. Das sagt auch das DZ Bank Research voller Optimismus. Die großen Indizes dürften 2022 neue Rekorde brechen und vor allem Tech-Werte und Zykliker auf der Überholspur sein. Viele Technologieunternehmen hatten zwar schon vor der Pandemie gute Zahlen, das „New Normal“ gebe der Branche aber einen weiteren Schub, denn für den beruflichen und privaten Alltag wird mehr IT-Ausstattung benötigt. Zyklische Unternehmen wie Automobilhersteller dürften vor allem ab dem zweiten Quartal profitieren, wenn die Konjunktur wieder boomt.
Kaufen, halten, verkaufen? Möglicherweise fällt Ihnen die Entscheidung in ein paar Wochen leichter, geschätzter Anleger. Denn alle Probleme unserer Zeit (die auch börsenrelevant sind) müssen so rasch wie möglich gelöst – zumindest auf den Weg gebracht – werden. Das betrifft in erster Linie die Pandemie mit ihren gravierenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen (kommt bald die fünfte Welle?).
Feiertage für Depotcheck nutzen
Ich lege Ihnen nah, die Feiertage für einen grundsätzlichen Depotcheck zu nutzen. Bei der Gelegenheit sei an eine kleine Episode vor vielen Jahren erinnert, als mir ein sächsisches Ehepaar am Rande des Dresdner Börsentags sein „Happy Depot“ vorstellte: Zwischen Weihnachten und Neujahr wird Jahresbilanz gezogen und der Aktienbestand en détail einer Prüfung unterzogen. Werte, die sich im abgelaufenen Jahr schlechter als der Index entwickelt haben, fliegen raus und werden durch andere ersetzt. Aktien die sich in den zurückliegenden zwölf Monaten besser als der Index entwickelt haben, bleiben im Portfolio. Mit dieser einfachen Methode „sind wir schon seit Jahren happy“, berichteten mir die Sachsen. Suchen Sie Ihren eigenen Weg, liebe Leser, und finden auch Sie heraus, ob Sie jetzt Ihr Depot umbauen, anders mischen oder ergänzen bzw. absichern sollten. Es ist passende Zeit für eine Strategieüberprüfung.