Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”
Kutzers Zwischenruf: Die neue Lust auf Börse
Wenn‘s um ihr Geld geht, haben die Bundesbürger in der jüngeren Vergangenheit viel dazugelernt. Endlich. Ein Großteil der Deutschen, die beim Sparen lange (besser: zu lange) neben der Matratze nur Bankkonten und Sparbücher kannten (= „Falschsparer“), hat sich zu renditebewussten Anlegern weiterentwickelt. Das zeichnete sich schon 2020 durch neue Erhebungen ab und wird im laufenden Jahr eindrucksvoll bestätigt. Das veranschaulicht der Deutsche Geldanlage-Index (Divax-GA) sowie das steigende Interesse an aktienbasierten Anlageformen, Immobilien und Edelmetallen.
Dieser Index wird vom Deutschen Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (Diva) ermittelt. Im Vergleich zur Wintererhebung ist er noch weiter gestiegen und liegt auf inzwischen sehr hohem Niveau. Das deutet darauf hin, dass immer mehr Bürger negative Realrenditen fürchten und in der Folge den Schritt weg von zinsbasierten Anlagen hin zu Geldanlagen mit positiven Renditechancen suchen. Zur Ermittlung des Indikators, der Werte zwischen -100 und 100 annehmen kann, befragt das Diva halbjährlich sowohl Bürger als auch Geldanlage-Experten zu ihrer Haltung gegenüber aktienbasierten Anlageformen. Darunter fallen neben Einzelwerten per se auch Investmentfonds und fondsgebundene Renten- und Lebensversicherungen mit jeweils signifikantem Aktienanteil.
Die Bewertungen der aktuellen Lage (43,9 Indexpunkte) und der künftigen Erwartungen (49,5 Indexpunkte) sind gleichgewichtet, wobei erstere einen leicht höheren Anstieg verzeichneten. Im vergangenen Winter gab es zwar einen Corona-Dämpfer, der sich auch im Index zeigte. Im mittelfristigen Trend zeichnet sich jedoch eindeutig eine „neue Lust auf Börse“ ab. Eine Formulierung, die mir besonders gut gefällt und künftig häufiger eingesetzt werden sollte. Wie Sie vermutlich wissen, geschätzte Anleger, habe ich schon vor längerer Zeit in Verbindung mit meiner Kritik am Falschsparen und wiederholt für die Bevorzugung von Aktien, Immobilien und Goldals langfristig sinnvolle Sachwerte plädiert.
Insbesondere die älteren Altersgruppen sehen aktienbasierte Geldanlagen immer optimistischer, was nicht zuletzt auf die wachenden Inflationssorgen zurückzuführen ist. Laut Befragungen rechnen knapp die Hälfte der Bürger (43,5%) und die große Mehrheit der Experten (67%) mit einer Inflationsrate von bis zu 3 Prozent in den kommenden fünf Jahren. Weitere 16,1 Prozent bei den Bürgern und 23,9 Prozent auf Expertenseite gehen sogar davon aus, dass die Inflationsrate 3 Prozent übersteigt.
An dieser Stelle möchte ich die Anleger beruhigen – auch wenn es ein seit Wochen in Börsenkreisen vieldiskutiertes Thema ist. Inflation ist aus aktueller Sicht kein Thema, das Sorgen oder gar Ängste bereiten muss. Denn Größenordnungen von plus/minus 3 Prozent monatliche Teuerung würden die Märkte nicht ernsthaft belasten. Vor allem sind gerade die favorisierten Sachinvestments (Aktien, Immobilien, Gold) der ideale Inflationsschutz. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass es in der Zukunft immer wieder Entwicklungen rund um die Geldanlage geben wird, die Lust auf Börse machen!