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Kutzers Zwischenruf: Die Ampel passt zur Börse

Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”

Kutzers Zwischenruf:
Die Ampel passt zur Börse

Spontanen Jubel der Finanzmarkt-Profis durfte man unmittelbar nach der Bundestagswahl nicht erwarten. Jetzt gibt es wenigstens Anlass zum Aufatmen. Der erfolgreiche Abschluss der Dreier-Sondierungsgespräche lässt hoffen, dass wir (viel) schneller als zu erwarten war eine neue Regierung bekommen werden. Und so weit schon vor dem Beginn der Koalitionsverhandlungen konkrete Gemeinsamkeiten zu Papier gebracht wurden, sind sie auf überwiegend positives Echo in der Wirtschaft gestoßen. Das ist eher ungewöhnlich. Damit sind die großen Probleme unserer Zeit nicht gelöst. Insofern ist die Einigung der Ampelparteien kein entscheidender Börsenfaktor, kann es in diesem frühen Stadium des politischen Neuorientierungsversuchs auch nicht sein. Verbuchen Sie Rot-Gelb-Grün dennoch als Guthaben, geschätzte Anleger.
 
Schon am Freitag spendeten Top-Ökonomen dem Sondierungspapier eindeutiges Lob: „Insgesamt ist das ein konstruktiver Kompromiss und ein gutes Gesamtpaket“, sagte Ökonom Jens Südekum vom Institut für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Insgesamt ein gutes Paket“, twitterte Ifo-Präsident Clemens Fuest. DIW-Chef Marcel Fratzscher sprach von einem vielversprechenden ersten Schritt, da das Papier viele zukunftsorientierte Maßnahmen und ambitionierte Ziele enthalte. „Es zeichnet sich durch eine große Ausgewogenheit zwischen wirtschaftlichen Zielen, sozialer Absicherung und internationaler Verantwortung aus“, sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Lobende Worte auch vom ehemaligen Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld: „Das Ergebnis der Sondierungen zeigt eine enorme Bereitschaft der Parteien, aufeinander zuzugehen und die wichtigsten Anliegen der jeweils anderen Seite zu respektieren“, so der Leiter des Walter-Eucken-Instituts zu Reuters. „Es ist getragen vom Willen, Deutschland nach vorne zu bringen.“
 
Ein wichtiger Punkt: Die Absage an Steuererhöhungen durch die Ampel-Sondierer stößt in der Wirtschaft auf Erleichterung. Wirtschaft erleichtert über Ampel-Absage an neue Steuern. Das Ergebnispapier der Sondierungen zeigt den Willen der drei möglichen Ampel-Koalitionäre, zentrale Themen anzugehen: Digitalisierung, Beschleunigung von Verwaltungsprozessen und Genehmigungsverfahren oder auch die Reduktion der Steuerbürokratie. Auch ist das Bekenntnis wichtig, keine Steuer zu erhöhen, keine Substanzsteuer einzuführen und den öffentlichen Haushalt auf Unwirtschaftlichkeiten zu überprüfen. Allerdings wurde mehrfach angemerkt, dass konkrete Aussagen zur Finanzierung der geplanten Investitionen fehlten.
 
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)  lobte ebenso die Absage an Steuererhöhungen. „Ein global wettbewerbsfähiges Steuersystem ist wichtig für unseren Standort“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. „Es ist gut, Konjunkturimpulse durch Superabschreibungen für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung zu stärken.“ Nach Darstellung von Grünen-Chef Robert Habeck sind die Ampel-Parteien in ihren Koalitions-Sondierungen bei der Finanzierungsfrage weiter gekommen, als es das Ergebnispapier widerspiegelt.
 
Wenn jetzt auch die Koalitionsverhandlungen zügig und erfolgreich verlaufen, hätten die Börsen-Bullen ein weiteres Argument auf ihrer Seite. Ohne parteiisch zu sein – vielleicht naht die Zeit, da der Faktor Politik als Rückhalt für Aktienmarkt und Anlageinteresse dient und nicht als Belastung empfunden wird. Die Farben einer Ampel passen ja auch zur Börse, denn alle drei sind Symbole für bestimmte Stimmungslagen.