Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”
Kutzers Zwischenruf: Ach, wären doch alle Deutschen Aktionäre
Das Geldvermögen der Deutschen steigt auf fast 7 Billionen Euro. Trotz Virus-Pandemie und jahrelang ultra-niedriger Zinsen werden die Sparer immer reicher. Ich bin sicher, die neuen Bundesbank-Zahlen sorgen (leider) nicht für ähnlich dramatische Medienberichte wie das gegenteilige Thema – die gigantische Staatsverschuldung. Mir fällt dazu sofort eine zynische Börsenweisheit ein: Erzählt ein Anleger seinem besten Kumpel jammernd von seinen Verlusten an der Börse. Tröstet der Freund: „Macht doch nix, denn Dein Geld ist ja nicht weg, es hat nur ein anderer.“
Die jetzt vorliegende Vermögensstatistik bestätigt ähnliche (überraschende) Ergebnisse früherer Umfragen und Studien, die das Corona-Jahr 2020 zu einem historischen Jahrgang machen. Ich erinnere nur an die Aktionärszahlen des Deutschen Aktien Instituts (DAI), wonach sich Deutsche mehr und mehr für Aktien begeistern: Im Vergleich zum Vorjahr waren 2020 rund 2,7 Millionen mehr Menschen in Aktien, Aktienfonds oder aktienbasierten ETFs investiert – insgesamt 12,.4 Millionen Menschen entsprechend 17,5 Prozent der Bevölkerung. Dieser Zuwachs hat mitentscheidend zur privaten Vermögensbildung beigetragen.
Die Privathaushalte besaßen Ende des vergangenen Jahres mit 6,95 Billionen Euro ein so hohes Geldvermögen wie noch nie. Allein im Vergleich zum Ende des dritten Quartals ist das ein Zuwachs von 3,1 Prozent. Ursache der Zunahme war insbesondere der Anstieg von Bargeld, aber auch Gewinne an den Börsen stehen hinter der Erhöhung. Die privaten Haushalte blieben laut Bundesank im vierten Quartal auf dem Kapitalmarkt sehr aktiv. Beliebt waren Aktien und Anteile an Investmentfonds. Die Haushalte erhöhten ihr Engagement in diese Wertpapiere im Schlussquartal um 21 Milliarden Euro. Stark gefragt waren Investmentzertifikate und Auslandsaktien.
Ein erfreulicher Trend für alle am Kapitalmarkt Beteiligten. Insbesondere die seit Jahrzehnten aktiven Aktienförderer können aufatmen, denn sie kennen die überragende Qualität der Aktie als langfristige Anlageform. Leider haben die Bundesbürger trotz anhaltender Nahe-Null-Zinsen die Vorzüge der Sachwert-Investments lange Zeit nicht honoriert und sind „Falschsparer“ geblieben – bis 2020. Hoffen wir, dass die Hinwendung zum Kapitalmarkt jetzt anhalten wird. Das sollte auch für die Alternativen zum Konto gelten: Sparen/Liquidität (Cash), Anlegen (Aktien) und Vorsorge (Gold, Fonds und Versicherungen)
Allerdings (und deshalb der Seufzer in der Headline) sind dem Wachstum der im internationalen Vergleich niedrigen Aktionärszahlen Grenzen gesetzt, weil auch die andere Seite an Gewicht zunimmt: Das Armutsrisiko hat einen neuen Höchststand erreicht. Sehr bedauerlich. Nach letzten Zahlen des Statistischen Bundesamts lebte 2019 jeder sechste (!) deutsche Bürger an der Armutsgrenze. Das Armutsrisiko in Deutschland ist damit so hoch wie seit vielen Jahren nicht mehr. Unabhängig davon können Sie, geschätzte Anleger, mit der neuen Vermögensstatistik im Kreis von Verwandten und Bekannten für die langfristige Aktienanlage werben!