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Ist die Zuversicht der US-Anleger ein Warnsignal? Wie dürften die Firmenbilanzen für das dritte Quartal ausfallen? – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Ist die Zuversicht der US-Anleger ein Warnsignal? Wie dürften die Firmenbilanzen für das dritte Quartal ausfallen?

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Wenn die Corona-Krise irgendetwas Gutes haben sollte, dann ist es die Aktienkultur in Deutschland, die eigentlich schon hoffnungslos verloren war und nun eine unglaubliche Renaissance erlebt. Das ist schon sehr erstaunlich, weil das breite Publikum eigentlich immer prozyklisch agiert. Will heißen, laufen die Märkte über längere Zeiträume nach oben, beginnen sich auch Leute für Aktien zu interessieren, die Dividendenpapieren eigentlich fernbleiben. Im großen Stil hatte Deutschland dies im Jahr 2000 und den Jahren davor erlebt, rund um die Emission der Telekom-Aktie. Zwar haben wir nun Rekordkurse, aber das Interesse der Privatanleger erwachte bereits zu einem Zeitpunkt, als die Wirtschaft bedingt durch Corona, noch in einer tiefen Krise war. Und dieses Phänomen ist nicht nur in Deutschland zu beobachten, sondern beispielsweise auch in den USA.
Nun ist die Aktienlage in den USA ohnehin viel populärer als hierzulande, aber auch dort hat das Interesse nochmals massiv zugenommen. Dies sollte einen optimistisch stimmen, allerdings muss man beim Blick auf die Geschichte einräumen, dass es in solchen Phasen eigentlich besser war, sich vom Aktienmarkt zu verabschieden, oder sagen wir mal, große Renditen nicht mehr zu erwarten. Denn wann immer Aktien bei Privatanlegern sehr populär waren und deren Investitionsquote hoch, waren die Renditen sehr bescheiden. Dies ist eine von vielen Statistiken, die darauf hindeuten, dass das Beste an den Aktienmärkten bereits gelaufen ist. Das Gleiche zeigt sich beispielsweise bei der Betrachtung vor historischen Kurs-Gewinn-Verhältnissen oder auch der Marktkapitalisierung aller Aktien im Verhältnis zum weltweiten Bruttoinlandsprodukt. Dazu kommt noch die Inanspruchnahmen von Börsenkrediten. Auch die befinden sich, historisch gesehen, auf dem Höhepunkt. Nur gibt es einen großen Unterschied zu der Vergangenheit. Denn wann immer Börsen beim Erreichen von Rekordniveaus anschließend einbrachen, und teilweise sind wir ja schon drüber, hatte es zuvor eine restriktive Geldpolitik gegeben und waren die Zinsen, real betrachtet, im positiven Bereich. Schauen wir auf den Höhepunkt des Internet-Booms, hatten wir Renditen für zehnjährige Anleihen von sechs Prozent in den USA und fünf Prozent in Deutschland für Bundesanleihen. Als die Finanzkriese ausbrach, befanden sich die Leitzinsen in den USA bei 5,25 Prozent. Angehoben von dem Niveau von einem Prozent, auf das die US Notenbank die Zinsen nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 gesenkt hatte. Aktuell aber liegen die Zinsen bei null und nach momentaner Projektion und Kommunikation der US-Notenbank werden die 2023 bei  0,5 Prozent liegen. Das ist weit unter der aktuellen Inflationsrate von rund fünf Prozent in den USA. Nach meiner Prognose wird die auf höherem Niveau verharren, doch selbst, wenn ich mich irre und die Inflation auf zwei Prozent zurückgeht, bleiben negative Realzinsen. Das unterscheidet die Situation massiv von der Vergangenheit. Und daher ist ein Abgesang auf die Aktie auch noch nicht angebracht. Denn es gibt diesmal eben keine Alternative. Und so kann man für die kurzfristige Tendenz eigentlich nur auf die Stimmung schauen. Hier sehen wir eine ziemliche Spreizung zwischen den USA und Deutschland. Auf der anderen Seite des Atlantiks ist die Stimmung zwar auch nicht so optimistisch wie noch im März, aber schon ziemlich euphorisch. Hierzulande sehen wir hingegen seit Wochen trotz der Rekordkurse überwiegend Skepsis. Man könnte sagen, die Anleger haben dazugelernt und wissen, dass die Börse keine Einbahnstraße ist. Die gute Nachricht, die darin steckt, ist die Tatsache, dass die Kurse nach unten ziemlich gut abgesichert scheinen. So ist beispielsweise eine rege Absicherungstätigkeit der Anleger zu beobachten. Sehr selten ist dies in der Nähe von Rekordkursen der Fall. Diesmal allerdings schon. Das ist das Positive. Was allerdings für eine schwächere Börsenphase in den kommenden Wochen spricht, ist zum einen die Saisonalität. Statistisch betrachtet, sind der August und der September sehr schwierige Börsenmonate. Und vieles deutet darauf hin, dass wir das Beste in Bezug auf die Unternehmensergebnisse gesehen haben. Noch nie haben so viele Unternehmen die Erwartungen geschlagen. Das ist positiv, weckt aber auch Erwartungen, die im dritten Quartal möglicherweise nicht mehr erfüllt werden können. Denn bekanntermaßen steigen die Preise massiv und noch viel stärker als die Verbraucherpreise die Preise der Vorprodukte für Unternehmen. Dazu gehören eben auch die Lieferkosten. Der Preis für einen 40-Fuß-Container ist etwa fünfmal so hoch wie vor der Pandemie. Die Unternehmen werden dies weitergeben, aber das passiert nicht zeitgleich, da es ja bestehende Verträge gibt, in denen auch Preise festgeschrieben sind. Kurzum, die Ergebnisse für´s dritte Quartal könnten mehr Enttäuschungen bringen als derzeit vermutet wird. Auch die Liquiditätssituation verschlechtert sich. Zwar haben die Notenbanken bisher nicht an der Zinsschraube gedreht, aber da die Wirtschaft wieder läuft, saugt diese mehr Liquidität auf, und so bleibt weniger Überschussliquidität für die Finanzmärkte. In China lässt sich dies bereits ziemlich gut beobachten. Das reich der Mitte kam am schnellsten aus der Krise, aber die Aktienmärkte schwächeln dort und das nicht erst, seit dort die Regulierung straffer wird. Goldilock-Szenario bedeutet Wachstum, aber nicht zu stark, sodass die Realwirtschaft nicht zu viel Liquidität aufsaugt und die Notenbanken die Füße still halten. Wächst die Wirtschaft zu stark, bleibt weniger Liqudität für die Aktienmärkte.
Die Notenbanken bremsen allerdings noch nicht. Und es wird auch noch eine Zeit dauern, bis dies geschieht. Viel diskutiert wird das sogenannte Tapering. Gemeint ist damit ein Zurückfahren der Anleihenkäufe durch die US-Notenbank oder andere Notenbanken. Doch Tapering bedeutet nicht „Tightening“, wie wir es 2018 erlebt haben. Da schrumpfte die Notenbank ihre Bilanz. Diesmal geht es nur darum, dass die Fed-Bilanz etwas langsamer wächst als zuvor. Auch steht noch unglaublich viel Liquidität an der Seitenlinie. Die Beträge im Geldmarktfonds oder auf Sparkonten der Sparer dieser Welt befinden sich nicht nur absolut, sondern auch in Relation zum Bruttoinlandsprodukt auf Rekordniveau. Ein Abgesang auf die Aktienmärkte ist daher überhaupt nicht angesagt. Im Gegenteil. Schaut man sich die Renditen am Bond-Markt an, sind Aktien im Vergleich dazu noch immer zu günstig. Wer sehr langfristig agiert, sollte daher an Aktien festhalten und nicht überrascht sein, wenn es in den nächsten Monaten auch mal Kursverluste gibt. Wer aktiv handelt, kann hier und da Gewinne mitnehmen, um das aufgebaute Cash bei tieferen Kursen wieder zu investieren.