Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”
Weltweit betrachtet werden seit Jahren große Volumen aus aktiv gemanagten Fonds abgezogen, während die passiven Ansätze, womit im Wesentlichen die großen Index ETFs gemeint sind, in etwa gleicher Größenordnung Volumenzuwächse haben.
ETFs sind beliebt. Die Mehrheit der aktiven Manager schlägt ihre Benchmark nicht und damit auch nicht die ETFs, die diese nachbilden. Die wichtigsten ETFs auf den MSCI World Index und den S&P 500 Index vereinen mittlerweile ein Billionenvermögen. Und jeden Monat fließt neues Geld hinein. Wenn man allein nur an die Sparpläne denkt.
Das schafft automatisch permanente Nachfrage für die Aktien, die in den großen Indizes sind, während die anderen links liegen gelassen werden.
Kleine und mittlere Aktien werden vernachlässigt
Die Konsequenz aus dem Boom der ETFs und der zuvor beschriebenen Folgen, dass Gelder nur noch, oder vor allem mittels ETFs in die großen Aktien fließen, hat dafür gesorgt, dass kleine und mittelgroße Aktien, auch Small and Mid Caps genannt, seit Jahren den großen hinterherhinken.
Der Bewertungsabschlag liegt mit 50 Prozent annähernd auf Rekordniveau. Während die großen Titel mittlerweile anspruchsvolle Bewertungen haben, und hier gibt es ebenfalls noch große Unterschiede zwischen den ganz großen und den kleineren im S&P 500 oder dem MSCI World, sind die kleinen und mittelgroßen wirklich günstig.
Aus Bewertungsgesichtspunkten müsste es also heißen, raus aus den großen und rein in die kleinen und mittelgroßen Aktien. Das einzige Problem: Auch wenn der Bewertungsabschlag noch weiter gestiegen ist. Er existiert schon länger.
Wer in den vergangenen Jahren diesen Schritt gegangen ist, leidet unter einer großen Underperformance gegenüber den großen Aktien. Und es gibt keine Garantie, dass die Bewertungsabschläge der kleinen in absehbarer Zeit zumindest zum Teil wieder aufgeholt werden.
Es gibt auch fundamentale Gründe für die Stärke der Großen
Die gnadenlose Underperformance der Small- und Mid Caps hat auch Gründe, die in der Geschäftsentwicklung der Unternehmen zu finden sind und nicht nur mit der vermeintlich größeren Nachfrage der ETFs für große Aktien.
Vergleicht man zum Beispiel die Gewinnentwicklung der im Nasdaq 100 enthaltenen Unternehmen mit der der kleineren im Russell 2000, muss man festhalten, dass die Gewinne der Technologieunternehmen aus dem Nasdaq 100 auch zuletzt noch stark stiegen, während sie bei den kleineren im Durchschnitt seit zwei Jahren stagnieren.
Die unterschiedliche Performance ist also durchaus begründet, nur nicht in diesem Ausmaß. Dennoch gilt für einen Value-Investor, dass ein Unternehmen einen inneren Wert besitzt, der sich aus der Substanz und vor allem den abgezinsten Cashflows der Zukunft errechnet. Und mag der Markt auch über lange Zeiträume manchen Aktien zu viel und anderen zu wenig Beachtung schenken, irgendwann treffen die Kurse immer wieder den inneren Wert.
Die ETFs haben allerdings dazu geführt, dass diese Verzerrungen stärker sind als in der Vergangenheit und auch länger dauern. Ich gebe hier mal folgende Prognose ab. Da mittlerweile mehr Mittel in passiven Fonds verwaltet werden als in aktiven, dürfte sich der Performancevorteil der ETFs auf die großen Indizes für die nächsten Jahre erledigt haben, denn diese starken Zuflüsse haben dazu geführt, dass bereits viel Zukunft in den Kursen enthalten ist.
Aktive Fonds dürften insofern bald wieder besser abschneiden. Ich weiß, die eingefleischten ETF-Käufer halten das für Unsinn. Ich sage: Top, die Wette gilt!