Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”
Ein Sieg von Donald Trump könnte durch steuerfreundliche Politik die Börsen stützen, während Kamala Harris’ Preisdeckelpläne Unternehmensgewinne langfristig belasten könnten.
In den USA geht die Angst vor einer Rezession um, was die Aktienmärkte in der vergangenen Woche erneut stark unter Druck gesetzt hat. Derzeit sieht es so aus, als ob die Bullenfalle, die ich vor zwei Wochen vermutet habe, zuschnappt. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Der Grund für meinen hier schon länger vorgetragenen Pessimismus liegt vor allem in der Geldpolitik.
Dabei geht es nicht um die Frage, wann und wie stark die Zinsen in den USA gesenkt werden, sondern um die Zinserhöhungen, die bereits hinter uns liegen. Diese sind der Grund, warum ich weiterhin mit deutlich fallenden Kursen weltweit und einer Rezession in den USA rechne, die es bisher immer nach einer inversen Zinsstrukturkurve gegeben hat. Interessant ist die Tatsache, dass die US-Wahl derzeit zumindest in den Börsenkommentaren kaum Beachtung findet. Das aber könnte sich noch ändern.
Für Europa steht viel auf dem Spiel
Wahlen haben mich eigentlich noch nie beunruhigt – mit Ausnahme der bevorstehenden US-Präsidentschaftswahl. Die Vorstellung, dass Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen könnte, muss einem aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur Sorgen bereiten, aus europäischer Sicht sogar mehr als aus amerikanischer. Trump dürfte die Spaltung der Gesellschaft weiter vorantreiben, doch spätestens nach vier Jahren wäre er wieder aus dem Weißen Haus verschwunden.
Für die Sicherheitsarchitektur Europas, mitten im noch andauernden Ukraine-Krieg, wären vier Jahre jedoch eine sehr lange Zeit mit möglicherweise unumkehrbaren Folgen. Das könnte auch negative Auswirkungen auf die europäischen Börsen haben, insbesondere wenn Trump die NATO und das Beistandsversprechen der USA infrage stellt.
Trumps Wahlprogramm ist börsenfreundlicher
Um Missverständnisse gleich zu vermeiden: Ich wünsche mir unbedingt, dass Kamala Harris ins Weiße Haus einzieht. Blickt man aus der Perspektive der US-Börse auf die Wahlprogramme der Kandidaten, lässt sich aber nicht leugnen, dass das Programm von Donald Trump börsenfreundlicher ist. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass es die bessere Wirtschaftspolitik ist, aber für Unternehmen bedeuten Steuererhöhungen – wie Kamala Harris sie plant – eben weniger Gewinn nach Steuern.
Trump hingegen plant, die von ihm eingeführten Unternehmenssteuersenkungen dauerhaft zu verlängern. Ich erinnere mich noch gut daran, wie nach den Steuersenkungen durch Trump viele Analysten vorrechneten, wie der innere Wert der Unternehmen dadurch steige, der sich schließlich aus den Gewinnen der Zukunft berechnet. Machte man diese Rechnung nach Steuern auf, war das ganz erheblich. Nach Steuererhöhungen müssten diese Werte entsprechend wieder nach unten angepasst werden. Dass dies an der Börse noch kein großes Thema ist, verwundert mich. Es wird aber wohl nicht dabeibleiben, vor allem dann, wenn sich ein Wahlsieg von Kamala Harris abzeichnet. In den Umfragen holt sie jedenfalls auf.
Preisdeckel könnten belasten
Noch ein anderes großes Wahlkampfthema könnte zu einer Belastung für die Aktienkurse werden. Es ist diesmal nicht die wirtschaftliche Lage an sich oder die Beschäftigungssituation, die die Bürger umtreibt. Die ist nach wie vor komfortabel. Vielmehr ist es die Inflation. Zwar sinkt diese in den USA mittlerweile deutlich, aber manche Preise steigen weiter, und das hohe Preisniveau bleibt bestehen, was vor allem den Alltag der weniger gutverdienenden Amerikaner erschwert. Kamala Harris möchte mit Maßnahmen wie Preisdeckeln punkten – ein Ansatz, der in den USA, dem Land der freien Märkte, jedoch als problematisch gilt.
Wir erinnern uns an die Diskussion um den Mietendeckel in Berlin, der nicht zu mehr, sondern zu weniger neuen Wohnungen führte. Ich bin kein Neoliberaler, aber Preisdeckel halte ich auch aus ordnungspolitischer Sicht für schwierig. Sie würden Märkte verzerren, womöglich zu Mangel führen. Vielleicht reagiert die Börse bisher noch relativ gelassen, weil die Republikaner im Repräsentantenhaus die Mehrheit haben und man hofft, dass sie solche Maßnahmen verhindern können. Dennoch könnten sie an der Börse zu erheblichen Irritationen führen, insbesondere wenn die Abwärtsdynamik zunimmt. Denn Preisdeckel würden automatisch die Gewinnmargen der Unternehmen schmälern. Anleger sollten daher für die nächsten Wochen und Monate ein dickes Fell haben.
Dennoch – ob Trump oder Harris – Aktien bleiben eine hervorragende Anlageform. Meine Kolumne soll daher nicht als Aufforderung verstanden werden, nun alle Aktien oder Fonds zu verkaufen. Die besten Renditen erzielen immer noch diejenigen, die auf “Buy and Hold” setzen. Auf schlechtere Zeiten vorbereitet zu sein, hilft jedoch dabei, nicht nervös zu werden und von dieser Strategie abzuweichen.