Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”
Das neue Jahr beginnt wie das alte. „Buy the Dip“, übersetzt: “kaufe jeden Rückschlag”, erweist sich nach wie vor als richtig. Allerdings ist der aktuelle Aufschwung in den USA wieder dadurch geprägt, dass die wenigen immer gleichen Titel, die wir unter dem Namen „Magnificent 7“ kennen, den Markt quasi allein nach oben ziehen.
Die Marktbreite, die mit Ausnahme der Jahresendrally auch 2023 fehlte, fehlt weiterhin. Das ist technisch gesehen in der Regel kein gutes Zeichen. Damit hat das Jahr 2024 im Grunde begonnen wie das Jahr 2023 – abgesehen vom kurzen Rückschlag am diesjährigen Jahresanfang. Die Stimmung unter den Anlegern ist aktuell allerdings diametral umgekehrt zum Jahresanfang 2023.
Euphorie statt Hysterie
Kein Indikator drückt dies plakativer aus als der Fear&Greed-Index, den CNN wöchentlich ermittelt. Stand dieser vor einem Jahr mit 38 Punkten noch im Bereich der Angst, so zeigt er aktuell mit einem Wert von 65 Gier an, vor der jüngsten Korrektur notierte er auch schon im Bereich extremer Gier.
Noch deutlicher ist der Unterschied bei den amerikanischen Privatanlegern. Am Jahresanfang 2023 befanden sich unter ihnen gerade noch 21 Prozent Bullen und 42 Prozent Bären. Aktuell sind es gerade noch 25 Prozent Bären und 49 Prozent Bullen.
Die von der Bank of America befragten internationalen Fondsmanager, die immerhin rund 700 Milliarden verwaltetes Vermögen repräsentieren, haben in ihren Aktienfonds im gleichen Zeitraum ihre Barreserven von sechs Prozent auf 4,5 Prozent des Fondsvermögens gesenkt. Dennoch lässt sich festhalten, dass klassische Anleger zwar längst nicht pessimistisch, aber in den vergangenen drei Wochen doch etwas vorsichtiger geworden sind.
Die System-Trader sind voll long
Die systematischen Ansätze hingegen sind so stark auf steigende Kurse positioniert wie selten zuvor. Die sogenannte Long-Position am amerikanischen Terminmarkt für Aktienindizes – gemeint ist der S&P-500-Future – ist im Volumen auf Rekordniveau gestiegen.
Auch die Systemtrader am Terminmarkt mit dem schönen Namen „Commodity Trading Adviser“ (CTAs), die im Oktober noch in Rekordvolumen auf fallende Kurse gesetzt haben, setzen jetzt annähernd ebenso stark auf steigende Notierungen.
Das lässt für die nächsten Wochen eigentlich nichts Gutes erwarten. Vor allem die zweite Hälfte des Februars ist historisch betrachtet die schlechteste aller Monatshälften mit einem durchschnittlichen Minus von rund einem Prozent seit 1928 und knapp 2,5 Prozent seit 1985.
Allerdings muss schon festgehalten werden, dass der Markt bereits im vergangenen Jahr alle Lügen gestraft hat. Daher gilt bei Prognosen, die sich aus Sentiments ableiten, wie im Grunde bei allen Börsenprognosen immer: Mit allem rechnen und auch dem Gegenteil von allem.