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Den Pessimisten sei Dank – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Alle Zeichen stehen derzeit auf Rezession. Warum die Kurse trotzdem steigen

Manchmal ist die Börse schon verrückt: Seit der Zeit der frei schwankenden Wechselkurse und damit seit 1976 gab es in den USA sechsmal eine inverse Zinsstrukturkurve und sechsmal folget daraufhin spätestens nach 24 Monaten eine Rezession. In der Eurozone und davor in Deutschland sieht das Bild genauso aus. Aktuell haben wir wieder eine inverse Zinsstrukturkurve. Die langfristigen Zinsen liegen unter den kurzfristigen. Doch trotz dieser bisher zu 100 Prozent treffsicheren Rezessionssignals steigen die Aktienkurse seit ihrem Tief im Oktober immer weiter. Gemessen am DAX sind es mittlerweile 30 Prozent.

Woran mag das liegen? Ganz sicher nicht daran, dass die Marktteilnehmer die aufziehende Rezession oder die restriktiver werdende Geldpolitik ignorieren. Im Gegenteil, sie schenken beidem, das lässt sich aus unendlich vielen Kommentaren ablesen, ausgesprochen viel Bedeutung. Dementsprechend sind sie extrem vorsichtig positioniert. Sie halten hohe Cashquoten, sichern ab und „gehen short“, setzen somit auf fallende Kurse – im S&P 500 Future Index sind die Wetten auf einen Kurseinbruch so hoch wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr.

Schon kleine Kauforders genügen

Es dürfte vor allem dieser Pessimismus sein, der die Kurse immer weiter nach oben treibt. Denn ist die Positionierung bereits defensiv, gibt es immer weniger, die noch verkaufen wollen. Treten in einer solchen Situation dann aber ein paar mutige Käufer auf den Plan, weil Unternehmensergebnisse besser ausfallen als erwartet oder Inflationszahlen niedriger, dann reichen schon Käufe in vergleichsweise geringem Volumen, um die Kurse steigen zu lassen. Viele der Pessimisten müssen dann entweder ihre Short-Positionen unter dem Druck der steigenden Kurse eindecken oder die Investitionsquoten wieder erhöhen, um von einer möglichen Benchmark nicht vollkommen abgehängt zu werden. Es sind diese Käufe, die den Markt dann immer weiter nach oben treiben. Und nach wie vor überwiegt der Pessimismus bei fast allen Stimmungsindikatoren. Insofern spricht die Stimmung antizyklisch betrachtet nach wie vor für weiter steigende Kurse, während die fundamentalen Zahlen und die historische Erfahrung klar dagegen sprechen. Der Kampf lautet derzeit: Fundamentals versus Sentiment. Noch nie seit 100 Jahren hat der Aktienmarkt sein Tief bereits vor dem Beginn einer Rezession gefunden. Insofern wird diese Börsenphase auf jeden Fall mit einem Novum enden, sollten uns große Kurseinbrüche erspart bleiben. Denn erstmals wird es entweder nach einer inversen Zinsstrukturkurve keine Rezession geben, oder das Börsentief wird bereits vor einer Rezession stattgefunden haben. Historisch betrachtet, wäre eine Rezession und ein Unterschreiten der Kursniveaus von Herbst 2022 mehr als wahrscheinlich. Es bleibt spannend, ob die Geschichte neu geschrieben wird.