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Babyboomer werden zur Belastung für den Aktienmarkt – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Die geburtenstarken Jahrgänge gehen nun nach und nach in Rente. Schon vor Jahren wurde darüber diskutiert, ob dies zu einer Belastung für den Aktienmarkt werden würde. Geht jemand aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand, so hört er als normaler Arbeitnehmer mit normalem Gehalt auf, für seine Altersvorsorge zu sparen und beginnt stattdessen, diese zu verbrauchen. Schließlich hat man sein ganzes Arbeitsleben über eingezahlt, um ab dem Rentenalter, wenn die Bezüge stark sinken, mit dem Ersparten einen Teil seines Lebens zu finanzieren.

Wenn mit den Babyboomern plötzlich sehr viele Menschen aus dem Erwerbsleben ausscheiden und in Rente gehen, kehren sich entsprechend große Finanzströme um. Wenn zudem vorher in Aktien gespart wurde, kann dies natürlich Auswirkungen auf die Aktienkurse haben, weil plötzlich mehr Anleger verkaufen und weniger Anleger Aktien kaufen wollen.

Babyboomer sorgen auch für höhere Zinsen

In jüngster Zeit zeigt sich aber noch ein anderer Effekt in Bezug auf die Babyboomer. Überall in der westlichen Welt erleben wir eine Abschwächung der Volkswirtschaften. Die Frühindikatoren in den USA sind seit vielen Monaten rückläufig, eine der längsten Serien in der Geschichte. Deutschland befindet sich in der Rezession, und auch aus anderen europäischen Ländern kommen deutliche Signale der Abschwächung. Neu ist allerdings, dass sich der Arbeitsmarkt trotz dieser Wirtschaftsschwäche nach wie vor in sehr guter Verfassung befindet.

Es gibt immer noch Arbeitskräftemangel in bestimmten Bereichen. Das war in der Vergangenheit nie der Fall. Wenn die Wirtschaft schwächelte, war das auch auf dem Arbeitsmarkt zu spüren. Schuld an dieser neuen Entwicklung sind auch die Babyboomer, die in Rente gehen. Denn die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinkt überall in den alten Industrieländern.

Damit ist Arbeitskraft ein deutlich knapperes Gut geworden und Arbeitslosigkeit trotz schwacher Konjunktur erstmal kein Thema. Das Problem ist eher die Inflation, die aufgrund der Arbeitskräfteknappheit durch die Lohninflation getrieben wird. Die jüngsten Lohnerhöhungen und die Streiks zeigen ein klares Bild. Das macht die Inflationsbekämpfung für die Zentralbanken derzeit relativ komfortabel. Sie können sich voll darauf konzentrieren und müssen zunächst keine Rücksicht auf die Konjunktur nehmen, weil es an Arbeitsplätzen nicht mangelt. Es ist also völlig klar, dass die Zinsen länger hoch bleiben, als es in einer schwachen Konjunktur normalerweise der Fall wäre. Und das ist keine gute Nachricht für die Aktienmärkte.

Jahresendrallye bleibt fraglich

Da die Geldpolitik restriktiv bleibt, dürften die Bäume trotz der wohl vor allem durch Short-Eindeckungen getriebenen Rallye an den Aktienmärkten in den letzten vier Wochen nicht in den Himmel wachsen. Darauf deutet auch die mittlerweile stark gestiegene Anlegerstimmung hin. Die Short-Positionierungen dürften eingedeckt sein und der Anleihenmarkt wird von vielen Anlegern weiterhin als die bessere Alternative angesehen. Eine etwas zurückhaltende Haltung gegenüber Aktien scheint daher weiterhin angebracht.